Die Weißenauer Heilig-Blut-Reliquie

Die Vorgeschichte des Heiligen Blutes von Weißenau ist nur in Form einer späteren Legende greifbar. Nach dieser soll Maria Magdalena etwas vom Blut Christi am Kreuz gesammelt und in einer Ampulle verwahrt haben. Diese nahm sie mit sich, als sie zusammen mit Lazarus und anderen frühchristlichen Zeugen auf ein leckes Schiff ohne Segel und Ruder ausgesetzt wurde und dann nach langer Irrfahrt am Ufer bei Marseille landete. In der Nähe habe sie dann noch 30 Jahre als Büßerin gelebt.

Das Blut wurde in die Kirche St. Maximin in Marseille gebracht und dort verehrt. Einen Teil des Blutes soll der Merowingerkönig Dagobert I. (629-639) erhalten und in die von ihm erbaute Kirche St. Arbogast in Straßburg gebracht haben. Dort habe es, so die Weißenauer Überlieferung des 16. Jahrhunderts, Graf Rudolf von Habsburg zum Dank für eine Schlichtung zwischen Bürgerschaft und Bischof 1261 erhalten. König geworden, habe es Rudolf von Habsburg 1283 der Prämonstratenserabtei Weißenau geschenkt.

Es gibt allerdings keinerlei urkundlichen Nachweis über ein Heiliges Blut in Straßburg und dessen Schenkung an Rudolf von Habsburg. In Weißenau ist das Heilige Blut erstmals in dem zwischen 1283 und 1289 entstandenen Lohengrin und in Schenkungsurkunden von 1287 erwähnt. Es muss also vor 1287 nach Weißenau gekommen sein. Erst Abt Jacob Murer (1468-1533) bringt das Heilige Blut mit der reichen Schenkung von 400 Mark Silber durch König Rudolf von Habsburg in Verbindung, für welchen schon im 14. Jahrhundert ein Jahrtag gehalten wurde.

Verehrung des Heiligen Bluts seit dem Konzil von Trient

Über die Verehrung des Heiligen Blutes im späten Mittelalter ist wenig bekannt. Das ändert sich in der Barockzeit im Zuge der Ordensreform nach dem Konzil von Trient. 1611 wurde das Heilige Blut mit großem Gepränge in die Mauritiuskapelle der Kirche übertragen, was zu einer Belebung der Wallfahrt beitrug. Populär waren vor allem die Blutritte am Ostermontag und um das Fest der Kreuzauffindung (3. Mai), wo man bis Manzell und Buchhorn (heute Friedrichshafen) ritt. 1710 wurde zur Verehrung des Heiligen Blutes eine Fünf-Wunden-Bruderschaft errichtet, 1739 ein neuer Heilig-Blut-Altar in der Mitte der Kirche aufgestellt.

Zur feierlich begangenen 500-Jahrfeier der Übergabe wurde 1783 der neue Kreuzaltar mit dem Heiligen Blut errichtet. Doch der geplante große Blutritt musste auf Weisung des Bischofs von Konstanz unterbleiben. Denn die Zeit der Aufklärung unter Kaiser Joseph II. war solchem barocken Übermaß nicht mehr gewogen.

In dieser Zeit mehrten sich auch Stimmen, die an der Echtheit der zahlreichen Heilig-Blut-Reliquien (besonders häufig in Oberschwaben mit Weingarten, Weißenau, Bad Wurzach, Roggenburg usw.) zweifelten. Benediktiner aus Weingarten und Abt Georg Lienhardt von Roggenburg (1717-1783) unternahmen Versuche, die Echtheit und vor allem die Zulässigkeit und Art der Verehrung zu verteidigen.

Die Verehrung des Heiligen Blutes in Weißenau überstand auch die Aufhebung des Reichsstiftes 1802. Die 600-Jahrfeier 1883 wurde festlich begangen, allerdings nicht mehr in barockem Gepränge. Ein weiterer Blutritt wurde 1951 aus Anlass des 800-jährigen Bestehens des Klosters gehalten, ebenso 1983 im Rahmen der Feierlichkeiten zur 700-Jahrfeier der Übergabe der Reliquie. Zu diesem Anlass erschien auch eine umfangreiche Festschrift mit der Geschichte der Heiligblut-Reliquie. 2020 beging die Kirchengemeinde St. Peter und Paul die 875-Jahrfeier. Aufgrund der Corona-Pandemie mussten die Feierlichkeiten leider wesentlich kleiner als geplant ausfallen.

Ulrich G. Leinsle O.Praem.

Weiterführende Literatur & Quellen

Beck, Otto (2004): St. Peter und Paul Weißenau. 9., neu bearbeite Auflage. Regensburg: Schnell & Steiner.

Binder, Helmut (1995): War das Weißenauer Heilige Blut vor 1283 in Straßburg? In: Binder, Helmut (Hrsg.): 850 Jahre Prämonstratenserabtei Weißenau 1145-1995. Sigmaringen: Thorbecke, S. 321-330.

Katholische Kirchengemeinde St. Peter und Paul Weißenau (Hrsg.) (2020): 875 Jahre Kloster Weißenau (1145-2020). Festschrift zum Jubiläum. Ravensburg.
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Spahr, Gebhard (1983): Geschichte der Weißenauer Heiligblutreliquie. In: Eitel, Peter (Hrsg.): Weißenau in Geschichte und Gegenwart. Festschrift zur 700-Jahrfeier der Übergabe der Heiligblutreliquie durch Rudolf von Habsburg an die Prämonstratenserabtei Weißenau. Sigmaringen: Thorbecke, S. 59-88. 

Wieland, Georg (2003): Prämonstratenserabtei St. Maria und Peter Weißenau – Geschichte. Artikel auf dem Online-Portal "Klöster in Baden-Württemberg".
www.kloester-bw.de