Münsterkirche St. Peter und Paul in Weißenau

Die Münsterkirche St. Peter und Paul in Weißenau (auch: Münster zu Weißenau) gehört zu den eindrucksvollsten Sakralbauten der Oberschwäbischen Barockstraße, die von der Schwäbischen Alb bis zum Bodensee führt. Das Münster ist Teil des früheren Klosters Weißenau, einem Chorherrenstift des Prämonstratenser-Ordens.

Der frühere Pfarrkirche St. Peter und Paul wurde am Sonntag, den 22. Oktober 2023 von Bischof Dr. Gebhard Fürst formell zum bischöflichen Münster erhoben. Die Kirche steht auf den Fundamenten der Mitte des 12. Jahrhundert errichteten Basilika St. Peter in der Au. Die romanische, dreischiffige Basilika besaß einen mächtigen Ostturm und sechs Altäre. Ihr Grundstein wurde 1152 gelegt, am 1163 wurde sie vorläufig geweiht. Die offizielle Kirchweihe fand nach der Fertigstellung der Kirche am 12. September 1172 statt. In den Jahren 1459 bis 1500 wurde der ursprüngliche Altarraum gotisiert. 1717 musste die Basilika dem Bau der heutigen barocken Kirche weichen.

Neubau der Klosterkirche im 18. Jahrhundert

Anfang des 18. Jahrhunderts fiel die Entscheidung zum Neubau der Klosteranlage. 1717 beauftragte Reichsprälat Abt Leopold Mauch den aus dem Bregenzerwald stammenden Baumeister Franz Beer (1660-1726) mit dem Abbruch der alten romanischen Basilika und dem Neubau der Abteikirche. Die Arbeiten an der Kirche St. Peter und Paul begannen 1717 und wurden 1724 vollendet. Beer realisierte eine Wandpfeilerbasilika im Vorarlberger Stil mit Doppeturmfassade. Die zwei imposanten Haubentürme sind von weither im Schussental sichtbar.

Die Stuckarbeiten führte der Wessobrunner Meister Franz Schmuzer (1676-1741) aus, die Decken und Wände bemalte größtenteils Jacob Carl Stauder (1694-1756). Der deutsch-schweizerische Maler schuf auch die Wandgemälde der ebenfalls zum Kloster gehörenden Kapelle Mariatal. Die Deckengemälde sind in der Maltechnik al secco entstanden und geben der Barockkirche ihr besonderes Gepräge.

Am 23. April 1724 weihte der damalige Konstanzer Weihbischof Franz Johann Anton von und zu Sirgenstein die neu errichtete Klosterkirche zu Ehren der Heiligen Apostel Petrus und Paulus. Weißenau war damals Teil des Bistums Konstanz, die Diözese Rottenburg (seit 1978: Diözese Rottenburg-Stuttgart) wurde erst 1828 geschaffen.

Das zweireihige Chorgestühl wurde von 1633 bis 1635 von David und Martin Weiß geschaffen. Es besteht aus insgesamt 44 reich geschmückten Sitzen. Besonders sehenswert sind die 26 aus Nussbaum geschnitzten Heiligenreliefs.

Die Heilig-Blut-Reliquie machte Weißenau zum Wallfahrtsort

1283 erhielt das Kloster Weißenau eine  Heilig-Blut-Reliquie von König Rudolf von Habsburg (1218-1291). Die Reliquie machte Weißenau fortan zu einem wichtigen Wallfahrtsort. In einem Glasröhrchen enthält sie mit Blut vermengte Erde. Die lateinische Umschrift erinnert daran, dass Maria Magdalena das Blut unter dem Kreuz Jesu Christi gesammelt habe.

Die Barockfassung der Reliquie aus Gold und Edelsteinen wurde 1709 vom Haus Habsburg gestiftet. Die Heilig-Blut-Reliquie wird bis heute verehrt und steht auch im Mittelpunkt der beiden Feste, welche die Pfarrei aus der Klosterzeit heute noch weiterführt: das Fünf-Wunden-Fest im Frühjahr und das Magdalenenfest im Sommer.

Sehenswert ist auch die spätgotische Weißenauer Madonna im linken Seitenaltar. Sie wurde um 1490 vom Ulmer Bildhauer und Bildschnitzer Michel Erhart (etwa 1440/45-1522) gefertigt. Die Mondsichel-Madonna mit Christuskind besteht aus Lindenholz und weist viele Ähnlichkeiten mit der Madonnen-Skulptur des Blaubeurer Hochaltars auf. Der Seitenaltar dient als Rosenkranzaltar. Auf ihm sind die beiden Stifterfiguren Dominikus (links) und Katharina von Siena (rechts) abgebildet.

Die große Weißenauer Orgel ist ein Meisterwerk des Ottobeurer Orgelbaumeisters Johann Nepomuk Holzhey (1741-1809). Sie besitzt 41 Register und gilt als eine der bedeutendsten Denkmalorgeln im süddeutschen Raum.

Die Glocken der Münsterkirche

Das Münster zu Weißenau besitzt eine mächtige Doppelturmanlage im Westen des Kirchenschiffes. In den zwei Glockenstuben der beiden Türme befinden sich große, historische Holzglockenstühle mit je riesigem, über mehrere Stockwerke führenden Unterbau, so dass die Stühle insgesamt jeweils über 14 Meter hoch sind. Auch die Joche sind zum Teil noch historisch. Das Münster besitzt acht Glocken aus drei Jahrhunderten. Diese ergeben ein harmonisch-melodisches Geläute. Der Star unter den Glocken ist die Dreifaltigkeitsglocke mit über fünf Tonnen Gewicht aus dem Jahr 1753, eine der größten und klangvollsten der gesamten Diözese Rottenburg-Stuttgart.

GlockeGießereiJahrSchlagtonGewicht
DreifaltigkeitsglockePeter Ernst, Lindau17535.000 kg
WetterglockeJohannes Schirrmeister & Michael Weingarten, Kempten1699cis'1.600 kg
Peter- und Paul-Glocke /
Angelusglocke
Johannes Schirrmeister & Michael Weingarten, Kempten1699e'900 kg
Heilig-Blut-GlockeBachert, Heilbronn (BaHn)1982fis'882 kg
Ernestus-GlockeBachert, Heilbronn (BaHn)1950a'502 kg
Heilig-Geist-GlockeBachert, Neunkirchen1989h'457 kg
Marien-Glocke /
Wandlungsglocke
Johann Melchior Ernst, Memmingen1753cis''260 kg
Saturnin-GlockeKonrad Zoller, Biberach1753 / 1903e''119 kg

Auf der Website des "Glocken-Wiki" CreateSoundscape können Sie die Weißenauer Glocken zum Klingen bringen.

Renovierungsarbeiten seit dem Zweiten Weltkrieg

In den Jahrhunderten seit ihrem Bau fielen in der Pfarrkirche St. Peter und Paul immer wieder mehr oder weniger aufwendige Renovierungsarbeiten an. Von 1949 bis 1951 wurden Teile der Raumschale und der Ausstattung der Pfarrkirche umfänglich instandgesetzt. 1979 restaurierten Spezialisten die Steinfassade auf der Westseite der Kirche, drei Jahre später, im Jahr1982, wurden Stahlbeton-Verstärkungen in die beiden aus dem 18. Jahrhundert stammenden Glockentürme eingelassen, um deren Statik zu verbessern. 1989 machte sich die Orgelbau Sandtner aus Dillingen / Donau an die aufwendige Restaurierung der Holzhey-Orgel. 2011 wurde das Dachtragwerk und die Mauerkronen des Chorschiffs, die Chorbogenwand statisch stabilisiert und die Decken- und Wandgemälde restauriert.

2017 beauftragte die Landesbehörde Vermögen und Bau Baden-Württemberg die AeDis AG damit, ein Sanierungskonzept für die Kirche zu erarbeiten. Die AeDis AG ist ein Zusammenschluss zahlreicher Architekten, Restauratoren und Handwerkern, die sich auf die Planung, Restaurierung und Denkmalpflege bedeutender Kulturobjekte spezialisiert haben. Nach Abschluss der Planung wurde im Oktober 2022 mit den umfassenden Sanierungsarbeiten der Pfarrkirche begonnen, für die das Land rund 10,5 Millionen Euro veranschlagte. Damit die Pfarrkirche weiterhin genutzt werden kann, wurden die erforderlichen Arbeiten in verschiedene Abschnitte aufgeteilt. Bis 2027 soll die Sanierung komplett abgeschlossen sein und die Kirche St. Peter und Paul wieder im alten Glanz erstrahlen.

Erhebung zum Münster 2023

Beim Festgottesdienst aus Anlass des Magdalenenfests am 23. Juli 2023 gab Pfarrer Fabian Ploneczka bekannt, dass der Rottenburger Bischof Dr. Gebhard Fürst die Pfarrkirche Weißenau zum Münster erheben wird. Zum offiziellen Festakt am Sonntag, den 22. Oktober 2023 kam Bischof Dr. Gebhard Fürst nach Weißenau. Im Rahmen eines Pontifikalamtes erhob der Bischof in Anwesenheit des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann die Pfarrkirche St. Peter und Paul formell zum bischöflichen Münster.

In der Erhebungsurkunde, die Bischof Dr. Gebhard Fürst während des Gottesdienstes verlas, und anschließend an Pfarrer Fabian Ploneczka übergab, werden die Gründe für die Auszeichnung genannt:Die ab 1717 errichtete Klosterkirche sei zum einen „architektonisch und künstlerisch von hoher Qualität und eine Sehenswürdigkeit an der Oberschwäbischen Barockstraße“. Gleichzeitig sei Weißenau „ein Zentrum des pastoralen Lebens in der Region“. Auch die 1787 vollendete Holzhey-Orgel und die Heilig-Blut-Reliquie, die seit 1283 in Weißenau aufbewahrt wird, werden in der Urkunde hervorgehoben. Anlass für die Erhebung zum Münster, so der Bischof weiter, sei das 300-jährige Jubiläum der Kirchweihe, das die Weißenauer 2024 begehen, und das 2023 gefeierte 100-jährige Bestehen der Blutreitergruppe. Weißenau ist die neunte Münsterkirche innerhalb der Diözese Rottenburg-Stuttgart und eine von rund 75 Kirchen in Deutschland, die diesen Titel tragen.

Frank Vollmer

Weiterführende Literatur & Quellen

Beck, Otto (2004): St. Peter und Paul Weißenau. 9., neu bearbeite Auflage. Regensburg: Schnell & Steiner.

Sachse, Julia (2020): Untersuchungsbericht zur "Weißenauer Madonna". Projektarbeit, erstellt im Rahmen des Studiums an der Staatlichen Akademie für Bildende Künste Stuttgart. Unveröffentlichtes Manuskript.

Wieland, Georg (2003): Prämonstratenserabtei St. Maria und Peter Weißenau – Geschichte. Online-Portal Klöster in Baden-Württemberg.
www.kloester-bw.de